Mein Gegenüber hatte meinen letzten Worten gar nicht mehr richtig zugehört und sein Blick glitt innerlich in die Ferne. Ich hatte eine leidenschaftliche Kurzrede über irgendein Herzensthema gehalten und sprudelte wortreich, laut und vehement über. Ich hielt inne und lachte ihn an. Bill, mein Hauspapa während meines Praktikums in den Südstaaten der USA, schaute mich wieder an und stellte beobachtend fest, dass ich selbst im Englischen nicht innehalte, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, sondern nur eine Pause mache, um zu überlegen, welches Wort ich verwenden möchte. Halb bewundernd und halb sorgenvoll beschrieb er mich: "You are so full of words, and thoughts, you have so many ideas and feelings. You will need a good husband to help you manage your world." [zu deutsch: "Du bist voller Worte und Gedanken, voller Ideen und Gefühle. Du wirst einen guten Mann brauchen, der dir hilft deine innere Welt zu sortieren."] Er meinte es sehr gut mit mir und Ehemannthema mal ausgeblendet, blieb mir diese Zuschreibung hängen: "You are full of words." Mich hat das geschriebene Wort schon immer fasziniert und dank der Tatsache, dass wir in meiner Kindheit keinen Fernseher hatten, entwickelten sich meine Geschwister und ich uns zu flinken Lesern. Schon als 11-Jährige las ich Cornelia Funke genauso gern wie Artikel aus dem Readers's Digest, Lucky Luke Comics oder christliche Beziehungsratgeber. In den Jahren darauf erweiterterte ich meine Lesepalette durch englische Klassiker, Mystery Novels, theologisch-philosophische Beiträge und Rezeptbücher, wobei letzteres im Gegensatz zu Krimi-Romanen auch heute noch zu meinen Favoriten zählt. Ich hab gelesen und aufgesaugt, was immer mir an Lesbarem in die Finger kam. Ich bin also schon mit einem Wortreich aufgewachsen, das sich in Büchern jeder Couleur vorstellte. Ein weiteres Wortreich in meinem Leben ist das Wort Gottes. Ich glaube an einen Gott, der sich durch Worte vorgestelllt hat: "Ich bin, der ich bin." Gott stellt sich mit seinem Namen vor, der aussagt, dass er da ist, vertrauenswürdig ist und für uns ist. Gott spricht und es geschieht. Gottes Worte haben eine schaffende Kraft und in ihnen wohnt eine kreative Macht alles zu verändern. Gottes Worte sind lebendig, das seine Wahrheit uns in der Person von Jesus begegnet. Und seine Worte sind für mich jeden Tag aufs Neue reich. Reich an Kraft für den neuen Tag, reich an Ermutigung und Mut für anstehende Aufgaben und Entscheidungen, reich Trost in meinen dunklen Momenten und reich an Herausforderung mich zu verändern. Gottes Wortreich ist der Boden, auf dem ich das Häuschen meiner Identität gründe, ist die Quelle von der ich Erfrischung für meinen Alltag zapfe und ist der Ort, an dem ich über den staune und lernen, von dem alles kommt und zu dem alles führt - Gott. Meine wortreiche Geschichte und mein wortreicher Glaube durchdringen die Person, zu der ich geworden bin. Ich möchte reich an Worten sein. Nicht um des Reichtums selbst willen, sondern aufgrund ihrer Macht. Worte haben Macht. Sie ermutigen oder zerstören, sie können Existenzen aufbauen oder sie niederreißen, sie können Wahrheiten schaffen oder Lügen erliegen. Es ist nicht egal, welches Wort wir gebrauchen. Worte erschaffen Welten. Sie prägen Beziehungen und lassen Schönheit erstrahlen. Seit ich mich erinnern kann, war meine Schlagfertigkeit eine Eigenschaft, die hervorstach. Ich bin selten verlegen, überrasche mich selbst manchmal mit der Treffsicherheit meiner Worte und erschrecke vor meiner eigenen Scharfzüngigkeit. Ich halte inne, nicht weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, sondern mir gut überlegen möchte, welche Worte ich gebrauche. Dafür brauch ich Wachstum und Geduld, Gnade und Neugierde, denn im Wortreich gibt es noch so viel zu lernen und zu entdecken. Ich will also wortreich sein. Nicht um ihrerselbstwillen, sondern ich möchte wortreich sein, weil das richtige Wort zu richtigen Zeit so viel Freude bringt.
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Texte von Franziska Klein
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