Bibelstellen: Jakobusbrief 1, 5-8 // 3, 13-18.
Verben haben wir in der Grundschule Tunwörter genannt. Wörter, mit denen wir Handlungen oder Geschehen beschreiben. Weisheit gehört grammatikalisch eigentlich nicht dazu.
Doch der Schreiber dieses Textes, Jakobus, ist nicht an philosophischen Ausführungen über „Weisheit“ interessiert, sondern stellt ganz schlicht die Frage in den Raum: Zeigt sich Weisheit in deinem und meinem Leben? Im Hier und Jetzt. In deinem Alltag, in deiner Arbeit, in deinen Beziehungen.
Ich hatte an Weisheit eine andere Erwartung, als das was Jakobus vor Augen zu haben scheint. Ich bemerkte bei mir, dass ich „Weisheit“ in die Distanz verlagere. Weise Menschen sind Menschen, die viel älter sind als ich, lange vor mir gelebt haben oder am anderen Ende der Welt weise Worte von sich geben.
Ich versuche weise zu werden, in dem ich mich mit weisen Zitaten auseinandersetze, weise Dinge höre und über weise Äußerungen nachdenke. Ich meine, wenn ich die richtigen Schritte in Richtung Weisheit gehe – Wissen erlange, Erfahrung mache, an Alter zunehme, dann werde ich sie irgendwie erreichen. Irgendwann an den Punkt kommen, als weise zu gelten.
Doch gibt es den Punkt überhaupt und wenn ja, wer stellt ihn fest?
Jakobus will Weisheit aber nicht in der Distanz zu uns lassen. Er will nicht, dass wir sie aus der Ferne bewundern. Er möchte, dass wir sie leben, anfassen können und selbst personifizieren.
Er fordert uns auf…
…um Weisheit zu bitten und Gott zu vertrauen, dass er sie schenkt (V.5-8)
…uns zu fragen, warum wir weise sein wollen und welche Motivation sich hinter unserem Streben verbirgt (V. 13)
…Weisheit zeigt sich in gesunden Beziehungen (V.17-18)
„Weisheit ist keine theoretisch richtige Antwort auf eine Lebensfrage, sondern ihre Bewältigung.“
Es geht bei Weisheit nicht um einen entfernten Zustand oder eine Stufe, die wir erreichen müssen, sondern es geht darum, ob sie sich in unserem Leben zeigt. Da wo wir sind und so wie wir sind.
Und Weisheit wird folgendermaßen sichtbar:
17 Die Weisheit hingegen, die von oben kommt, ist in erster Linie rein und heilig, dann aber auch friedfertig, freundlich und bereit, sich etwas sagen zu lassen. Sie ist voll Erbarmen und bringt eine Fülle von Gutem hervor; sie ist unparteiisch und frei von jeder Heuchelei. Jakobus 3, 17-18
Weisheit kommt in unseren Beziehungen zum Ausdruck. Sie wartet nicht am Ende unseres Lebens auf sich oder ist besonders klugen Menschen vorbehalten.
„Weisheit ist keine Stufe, die wir erreichen, sondern ein Modus, in dem wir im Hier und Jetzt leben sollen.“
Die amerikanische Poetin Morgan Harper Nichols sagt: „Peace is a practice” und ich finde, dass es auch die Weisheit ziemlich gut beschreibt. Weisheit bedeutet, dass ich bereit bin mir etwas sagen zu lassen. Dass ich voll Liebe und Barmherzigkeit in meine Beziehungen investiere. Sie zeigt sich in der Praxis. Ultimativ zeigt sie sich darin, ob ich zu echtem Frieden beitrage.
Weisheit ist die Praxis zu versöhnen, was zerstritten ist, zu verbinden, was zerbrochen war, zusammenzuführen, was gespalten ist.
Wisdom is a practice.
18 Die Früchte, die vor Gott bestehen können, wachsen dort, wo Friedensstifter eine Saat des Friedens säen.
Frage für die Woche:
Welche „Saat des Friedens“ kannst du diese Woche säen?
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