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Frauenfrage #2: Auf der Suche, oder was ich in der Bibel fand.



„Für eine Frau war es gesünder, Christ zu sein.“


Bei der These blickte ich auf. Im Fach „Historische Theologie“ ging es heute um die soziologische Perspektive auf das erste Jahrhundert. Warum war das Christentum gerade in seiner Anfangszeit für Frauen so attraktiv gewesen? Und sogar buchstäblich gesünder, wie der Referent soziologisch aufzeigte. In der christlichen Kirche wurden weder frühkindliche Femizide noch gesundheitsschädliche Abtreibungsmethoden durch Gifttränke praktiziert, was die Sterblichkeitsrate unter Frauen beachtlich senkte. Die christliche Kirche kümmerte sich um Frauen im Wochenbett, um Waisen und Witwen mit einer Hingabe, die in der Gesellschaft positiv auffiel.


„Christin sein war gesünder“. Für mich war der Gedanke damals neu, dass das Christentum in seinen Anfängen eine Verbesserung für weibliche Lebenssituationen bedeutete. Es räumte größere Freiheiten und Schutz für Frauen ein, als es die Gesellschaft tat. Gefühlt war ich in der umgekehrten Situation aufgewachsen. Als Frau in Deutschland des 21. Jahrhunderts mit höherem Bildungsabschluss standen mir berufliche, politische, wie gesellschaftliche Freiheiten offen, die noch für Frauen zwei Generationen vor mir alles andere als selbstverständlich gewesen waren. Ich wachse also (historisch betrachtet) zum einen mit Privilegien auf und empfinde zum anderen den christlichen Kontext als bestenfalls hinterherhinkend. Mein Christentum erschien mir nicht gesünder für die Frau und mein Gottesbild hatte eine frauenfeindliche Tendenz. Die These, dass Frauen in der frühen Kirche genau das Gegenteil empfanden, stellte mein Weltbild auf den Kopf und wurde die Ausgangsfrage für meine Recherche.

Denn was hat dazu geführt, dass das „gleiche“ Christentum zu der einen Zeit als befreiend und zu der anderen Zeit als einengend empfunden wurde?


Biblisch.


In manchen Kreisen kursiert die Vorstellung, dass die „predigende und lehrende Frau“ das üble Produkt des neuzeitlichen Feminismus sei und wähnen das biblische Zeugnis, als auch die Kirchengschichte auf ihrer Seite. Doch das ist eine eingeschränkte Lesart, die stärker vom amerikanischen Fundamentalismus der 60er Jahre geprägt ist und weniger den Texten selbst entspricht. Auf der anderen Seite lesen wir die biblischen Texte mit unseren Gedanken und Gefühle und verkennen möglicherweise, dass sie in einer uns fremden Zeit und Lebenswelt entstanden sind. Während ich glaube, dass sie nichts an Wahrheit und Leuchtkraft eingebüßt haben, können wir sie in ihrem ursprünglichen Kontext nur bedingt ohne Weiteres nachvollziehen bzw. verkennen die eigentliche Botschaft. Wie Männer und Frauen zur damaligen Zeit die Aussagen von Paulus wahrnehmen und welche Gefühle und Gedanken dabei aufkommen, unterscheidet sich von unseren. Ich möchte auf ein paar Spuren hinweisen, denen ich in meiner Meinungsbildung gefolgt bin und die für mich neues Licht auf alte Fragen warfen. Für die Einordnung der Aussagen zu Frauen im Neuen Testament spielt das Frauenbild der Antike eine Rolle, da es die Hintergrundfolie für die Gedanken und Gefühle der Menschen bildet. Das Patronatswesen, als auch die Unterscheidung der präskriptiven und deskriptiven (vorschreibende und beschreibende) Stellen im Neuen Testament sind weitere Schlüssel zum Verständnis.


Das Frauenbild der Antike


Das antike Frauenbild geht stark auf die Argumentation von Aristoteles zurück, der die Frau als „Mängelwesen“ gegenüber dem Mann erklärt. Gesetze aus dem 1 Jh. v. Chr. wie „männliche Säuglinge dürften gar nicht, bei weiblichen zumindest das erste nicht getötet werden“ machen das Wertungsgefälle zwischen den Geschlechtern sichtbar. Der Philosoph Plato beschreibt den Mann als „natürlichen Herrscher“, die Frau als „natürliche Beherrschte“. Die Unterordnung der Frau in dem antiken Haushalt ist demnach Programm und lässt sich in jeder römischen Haustafel finden. Wenn also Paulus im Epheserbrief schreibt „Ihr Frauen ordnet euch euren Männern unter“, was uns heute befremdlich ins Auge sticht, ist das zu der damaligen Zeit gesellschaftlich so tief akzeptiert und verbreitet, dass das niemandem auffällt. WAS allerdings auffällt ist, dass Paulus die christlichen Ehepaare auffordert sich einander unterzuordnen und dass die Männer aufgefordert werden die Frau zu lieben. Klingt für uns vertrauter, ist für die antike Gesellschaft allerdings neu und revolutionär. Das heißt übrigens nicht gleich, dass wir das mit gegenseitigem Respekt seitdem zwangsläufig hinkriegen.

„Unterordnung“ ist ein Reizwort geworden und markiert in Diskussionen eine Trennlinie. Ich wurde in meinem Leben schon so oft gefragt, „Ob ich mich meinem Mann dann aber noch unterordnen könnte?“. Interessant ist für die fragende Person eigentlich nur, in welche Kategorie sie mich mit meiner Antwort packen kann. Denn natürlich hat „Unterordnung“ ihren Platz. Ich kann mich unterordnen. Meinem Leitungsteam in seinen Entscheidungen, den Gesetzen eines demokratischen Staates, den Bedürfnissen meiner Nachbarin und den Wünschen meiner Freunde, sowie den Menschen, denen ich diene. Es ist die sachgemäße Anerkennung einer Autorität, Situation oder Bedürfnis, der ich aus freier Entscheidung nachkomme. Meinem Vorbild Jesus in seiner Hingabe folgend. Ich kann mich also ganz entspannt unterordnen. Also ja, auch meinem (potentiellen) Ehemann. Aber auch Nein. Denn ein Mann, der mich fragt, ob ich mich ihm unterordnen würde, entlarvt sich für mich als jemand, an dessen Seite ich das Leben nicht freiwillig teilen möchte.

„Du Emanze“ hieß es dann zu mir. Solches „Labeln“ gabs auch bereits in der Antike. Öffentlich auftretende Frauen liefen schnell Gefahr von männlichen Stimmen der sexuellen Promiskuität bezichtigt zu werden, da dies gesellschaftlich wenig akzeptiert war. In einer Gesellschaft, in der die Frau nicht öffentlich auftreten und reden sollte, liest sich „die Frau schweige in der Gemeinde“ aus 1.Korinther 14 möglicherweise mit einem anderen Anliegen, als des universellen Redeverbots. „Die Frau“ war literarisch und philosophisch ein abgewerteter Topos. Antike Quellen über „die Frau“ sind weitgehend negativ konnotiert, wenn es um die Frau ganz allgemein geht. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch andere Quellen gibt, manche davon revolutionär egalitär formuliert. In der Quellenforschung wird ein Muster sichtbar. Wenn es um die konkrete Frau geht – Briefe, Grabesinschriften, Erbhinterlassenschaften – können sie sehr positiv auffallen und Männer wehren sich darin vereinzelt explizit gegen gesellschaftliche Benachteiligungen der Frau.


Das Patronat


Der soziale Status ist der Schlüssel zum Verständnis der antiken Gesellschaft. Die antike Gesellschaft ist ein Paradigmenpuzzle. Frei oder Sklave, Römer oder Jude, Arm oder reich, Frau oder Mann. Es ist besser frei zu sein, als in einem Sklavenverhältnis zu stehen. Es war besser Mann, als Frau zu sein. Aber die freie Frau war besser dran als der versklavte Mann usw. An der Spitze der Gesellschaft steht der freie, männliche, reiche männliche Bürger (Patron) und am Boden der Gesellschaft die versklavte Frau in der Prostitution. Denn während männliche Sklaven durch harte Arbeit an Ansehen gewinnen konnten, nahm der Wert der weiblichen Sklavin stetig ab. Das Patronat, also die Schutzherrschaft der freien, wohlhabenden Bürger, ist der innere Kleber der antiken Gesellschaft. Die wohlhabende Patronin genießt daher Rechte, die sie nicht als Frau hat, sondern aufgrund ihres gesellschaftlichen Ranges, denn das Geschlecht tritt wiederum hinter den sozialen Status zurück. Patroninnen konnten vereinzelt öffentlich sprechen, setzten sich gesellschaftlich und auch politisch ein. Frauen wie Johanna (aus Lukas 8) oder Phoebe im Römerbrief waren allem sprachlichen Anschein nach eben solchen Patroninnen. Ihr sozialer Status verlieh ihnen Autorität. Wenn es um Leitung ginge, würde die weibliche Patronin den gesellschaftlich niederstehenden Mann trumpfen. Es ist vor dem Hintergrund der antiken Gesellschaft davon auszugehen, dass Lydia (Apg. 16) als wohlhabende Geschäftsfrau und erste Gläubige Europas, in der Kirche in ihrem Anwesen, nicht den Tee kochte, sondern eine leitende Funktion hatte.


Deskriptive Texte der Bibel: Junia, Phoebe, Syntycha, Nympha und andere


Die Beschreibung von Frauen im Neuen Testament ist vor dem Hintergrund der antiken Gesellschaft als sehr positiv zu bewerten. Der Umgang von Jesus mit den Frauen ist herausstechend anders und provoziert die institutionalisierte Frauenfeindlichkeit der antiken Gesellschaft. Jesus fügt sich der gesellschaftlichen Ordnung nicht, sondern ihm folgen Frauen wie Männer. Jesus begegnet sogar „ausländischen Frauen“ (Joh 4) und von der Gesellschaft geächtete und ausgestoßene Frauen. Er ist mit Frauen befreundet, er lehrt Frauen und Frauen werden die ersten Verkündigerinnen der Auferstehung. Das ist neu, das ist auch provokant. Jesus hätte vor dem Hintergrund der damaligen Zeit nicht lauter Frauenfan schreien können. Er bricht mit der extremen Hierarchie der Geschlechter der jüdischen und griechisch-römischen Gesellschaft. Paulus kommt in der Rezeption oftmals schlechter weg als Jesus, wenn es um die Frauen geht. Ich meine zu Unrecht, denn seine vielen weiblichen Mitarbeiterinnen sprechen historisch Bände. Das Ehepaar Priscilla und Aquila, ein Zeltmacherehepaar, leitet gemeinsam eine Hauskirche und unterrichtet andere Gemeindegründer. Phoebe, eine geschätzte Mitarbeiterin von Paulus, hat die wichtige Aufgabe den Römerbrief zu überbringen und ihn der Gemeinde in Rom vorzulesen und auszulegen. Junia wird als geachtete Apostelin erwähnt. Evodia und Syntyche sind als Paulus Mitarbeiterinnen in der Mission tätig. Nympha, eine weitere Gemeindeleiterin und Tryphäna, Tryphosa und Persis sind drei weitere Mitarbeiterinnen, die Paulus sehr zu schätzen scheint. Dass Frauen in antiken Quellen namentlich erwähnt werden ist selten und weist auf eine Veränderung in den biblischen Texten, die wir heute vielfach verkennen. Die neutestamentliche Gemeinde sprengt gesellschaftliche Strukturen ein stückweit – das Patronatswesen, als auch die institutionalisierte Frauenfeindlichkeit der antiken Gesellschaft zeigen in ihr erste Risse. Das Neue Testament gibt uns in beschreibender Art und Weise Einblick, wie bunt und vielfältig die ersten Kirchen funktionierten. Bei einer näheren Betrachtung weisen die Namenslisten auf Frauen und Männer, auf Menschen verschiedener Stände und unterschiedlicher Herkünfte. Sie alle arbeiten gemeinsam für die Gemeinde und stehen Seite an Seite für das Evangelium ein, über Geschlechter- und Standesgrenzen hinweg. In der Weise, wie sie es gabenmäßig, aber auch gesellschaftlich akzeptiert, ausüben konnten.


Aber was ist mit „die Frau schweige in der Gemeinde?“


Ich hatte in meinem Aufwachsen nichts über Phoebe gelernt, von Junia oder Persis ganz zu schweigen. Aber zwei andere Stellen kannte ich dafür umso besser. Denn es gibt unterm Strich zwei Stellen, die im Neuen Testament Einschränkungen vorschreiben, aber unermüdlich als Kardinalstexte christlicher Lehre angeführt wurden, als ginge es um die Auferstehung höchstpersönlich. Dennoch gibt es diese beiden Stellen - 1 Kor 14,34f und 1 Tim 2,11f –ich will sie weder ausblenden, noch in ihrer exegetischen Tiefe entfalten. Bei Korinther lässt sich eine innerbriefliche Spannung ausmachen – denn zum einen wird davon geschrieben, dass Frauen predigten - „wenn Frauen weissagen, dann…“ (1 Kor 11) und zum anderen „die Frau schweige“ (1 Kor 14) erwähnt. Eine Spannung, die nicht so ohne Weiteres aufgelöst werden kann, aber verdeutlicht, dass es sich nicht um ein Predigtverbot handeln muss. [Der Versuch die Wörter weissagen, predigen, lehre etc. künstlich voneinander zu trennen, trägt im Griechischen nicht aus, was man damit zu bezwecken sucht). In einigen Handschriften ist die 1 Kor 14 Stelle als Glosse (Zusatz/ Randnotiz) zu identifizieren, wo die Forschung diskutiert, ob Paulus hier nicht auf eine Frage der Korinther reagiert, die sie aufgrund ihrer gesellschaftlichen Ordnung aufbringen. Da es im Kontext um die Gottesdienstordnung geht, liegt die Auslegung eines Reinredens o.ä. ebenfalls nah, was möglicherweise vor dem Kontext, dass Frauen weitgehend weniger Zugang zu Bildung hatten zu deuten ist. Einige Exegeten sehen, dass es hier um das Verhältnis von Ehepaaren im öffentlichen Gottesdienst geht – nicht die Frau allgemein, sondern die Ehefrau sei im Blick. Vor dem Hintergrund der Schamkultur und gesellschaftlicher Ehevorstellung, ist ein öffentliches Diskreditieren des Partners eine Schande. Es gibt demnach ein paar sinnvolle Auslegungsmöglichkeiten, denen man nachgehen kann. Ein Lehrverbot von Frauen scheint aus meiner Perspektive nicht die offensichtlichste.

In 1 Tim 2,11f heißt es: „Eine Frau soll still und mit ganzer Bereitschaft zur Unterordnung auf das hören, was im Gottesdienst gelehrt wird. Ich gestatte es einer Frau nicht, vor versammelter Gemeinde zu lehren und sich damit über die Männer zu stellen; sie soll sich vielmehr still verhalten. Zuerst wurde nämlich Adam erschaffen, erst danach Eva.“

Ganz spannende Stelle, die als Hauptargument für das Lehrverbot gilt und in seiner „Schöpfungsbegründung“ als universal gültig vertreten wird.

Zwei Beobachtungen sind zunächst interessant. Das Neue Testament beschreibt Frauen, die lehren, sodass erneut ein innerbiblisches Spannungsfeld kreiert wird. Bspw. in Offenbarung 2 wird eine Frau der falschen Lehre bezichtigt - sprich, sie wird nicht dafür korrigiert, dass sie lehrt, sondern dass sie falsche Lehren verbreitet. Darüber hinaus musste dem damaligen Zuhörer auffallen, dass Frauen aufgefordert werden zu lernen. Das mit der Stille und der Unterordnung kennen sie bereits, neu ist, DASS sie aufgefordert werden zuzuhören und zu lernen. Das ist das Neue und der „Erlösungsmoment“ dieser Stelle, die ansonsten einfach widerspiegelt, was in der Gesellschaft bereits galt und auch durch das Evangelium nicht magisch aufgelöst wurde. Zur typologischen Erstgeburtsrechtanalogie der Begründung gibt es ganze Kommentare. Die Begründung macht in einer Gesellschaft, in der Privilegien mit dem Erstgeburtsrecht verknüpft waren, Sinn - trägt aber im Licht des Evangeliums für heute nicht mehr die gleiche Botschaft.

Es bestehen in beiden Stellen Spannungsfelder, ungeklärte exegetische Fragen, aber auch kulturelle blinde Flecken unsererseits. Doch auch in dem, was wir von ihnen verstehen scheint es mir nicht naheliegend, dass es sich bei diesen zwei präskriptiven Stellen um ein für alle Zeiten gültiges Predigt/Lehrverbot handelt. Eine „wortwörtliche“ Übertragung scheint mir nicht die sachgemäße Entsprechung der eigentlichen Botschaft.

Die Stellen, die Frauen aus heutiger Sicht massiv einschränken, haben meiner Meinung nach in erster Linie eine apologetische, sprich eine verteidigende, Funktion. Vor dem Hintergrund der antiken Gesellschaft, in der die Unterordnung der Frau der gesellschaftlichen Ordnung entspricht, wäre es töricht gewesen, an der dominierenden Kultur vorbei zu handeln, da der christliche Glaube bereits aneckte. Paulus versucht um des Evangeliums willen die Kirche in geordnete Bahnen zu navigieren. Das Christentum wird im ersten und im zweiten Jahrhundert als „Religion der Frauen und Sklaven“ verspottet. Frauen hatten in den ersten Gemeinden eine Stimme, Autorität und nahmen eine Bandbreite an Aufgaben wahr. Das stieß den staatlichen Behörden auf und lässt sich in den „Märtyrerakten“ zur Christenverfolgung nachweisen. Die Frage nach offiziellen Ämtern in der Kirche stellt sich erst mit der Institutionalisierung der Kirche ganz konkret. In den ersten Jahrhunderten sind die „Ämter“ dynamischer und weniger einheitlich aufgestellt. Interessant ist kirchenhistorisch, dass wir mit der Institutionalisierung der Kirche Quellen von Dekreten aus dem 5.Jh. überliefert haben, in denen Frauen ihrer Aufgaben enthoben werden. Das bedeutet, dass Frauen zuvor kirchliche „Ämter“ hatten, was wir aus der frühen Kirchengeschichte neben den Texten im Neuen Testament auch in nichttextlichen Quellen wie Grabinschriften etc. überliefert haben. Diese Beobachtung bedeutet leider auch ein Muster, das sich in den Jahrhunderten darauf wiederholen wird. Frauen waren in den dynamischen Anfängen zahlreicher Bewegungen vertreten und wurden häufig mit der „Institutionalisierung“ einer kirchlichen Strömung wieder in die zweite Reihe versetzt bzw. ihrer Aufgaben enthoben.

Ich bin mit einer Haltung aufgewachsen, dass „wenn man die Bibel“ ernst nimmt, es doch ganz klar ist, was in ihr drin steht. Ich halte diese Auffassung aus zweifacher Hinsicht für problematisch: zum einen verteilt man damit Stempel der Kategorie „für uns oder gegen uns“ und wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, disqualifiziert man die andere Person mit „sie nähme die Bibel nicht ernst“. Zum anderen gibt es biblisch-theologische Themen, die mit einer tatsächlichen Vehemenz und Klarheit auftreten, die die Christenheit eint – die Inhalte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Überraschung, aber die Frauenfrage gehört nicht dazu und an ihr lässt sich keine „Bibeltreue“ markieren. Ich meine, dass gerade die vehemente Fahne gegen die Frauenordination die innerbiblische Spannung nicht sachgemäß erörtert und ihre eigenen Prämissen nicht offenlegt. Es geht in dieser Frage nicht darum, ob man die Bibel ernst nimmt oder nicht, sondern welche Gewichtung wir den präskriptiven und deskriptiven Stellen geben und unter welchen Vorannahmen und Grundannahmen wir exegetische Schüsse fällen. Daraus formen wir unser Narrativ zu dieser Frage und haben eine „Brille“ aufgesetzt (bekommen). Wir müssen zum einen anerkennen, dass es diese Brillen gibt und zum anderen dürfen wir lernen darüber zu sprechen, wie die Welt durch meine Brille aussieht.

Da ich im Hinblick auf die Frage meine Brille ausgetauscht habe, möchte ich meine Grundentscheidung und Vorannahmen offenlegen. Ich vertrete die Auffassung, dass die Frage sich nicht an der Auslegung der vereinzelten „präskriptiven“ Bibelstellen (1. Korinther 14 und 1 Tim 2) entscheidet. Ich problematisiere, dass in meinem Kontext das Neue Testament in dieser Frage nicht gemäß seiner ursprünglichen Botschaft und Vielfalt ausgelegt wurde. Die Kirche hat sich vielfach eher an den Eckpfeilern der frauenfeindlichen Gesellschaft der Antike orientiert und weniger an der angezeigten Erlösung. Das gesamtbiblische Zeugnis – die große Geschichte Gottes mit den Menschen - zwischen Schöpfung, Fall, Erlösung und Wiederherstellung – wurde in dieser Frage zu wenig für die kirchliche Praxis im 21. Jahrhundert wirkmächtig reflektiert. Gott hat den Menschen geschaffen und ihnen einen gemeinsamen Auftrag gegeben, sie mit Berufung und Begabung ausgestattet. Was wir daraus gemacht haben führte vielfach zu eindimensionalen Rollenbilder und einem Machtkampf an falschen Fronten.



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