Integrität // die
a) Makellosigkeit, Unbescholtenheit, Unbestechlichkeit, charakterliche Unversehrtheit
b) Übereinstimmung zwischen den eigenen Idealen und Werten und der tatsächlichen Lebenspraxis
„Das Gute, das in eurem Leben begonnen hat, soll zur Vollendung kommen. Dann werdet ihr vollkommen und makellos sein, und es wird euch an nichts fehlen." Jakobus 1,4
Der Brief des Jakobus an Christen, die in einer Verfolgungssituation zerstreut wurden, beginnt mit der Vision integren Lebens. Nicht nur als reiner Selbstzweck, sondern weil es darauf hinweist, wie Gott ist und wie Gott sich Menschsein gedacht hat. Bei „makellos“ denke ich zuerst an perfekt, aber integer trifft die Idee in diesem Brief viel eher. Denn Menschen sind nicht perfekt und ein Brief, der mich dazu auffordern würde, es mit aller Kraft zu versuchen, würde mich in ein Hamsterrad werfen, das mich nicht zum Ziel bringt.
Doch auffordern will Jakobus auf jeden Fall. Der kurze Brief enthält über 50 Imperative, die mich definitiv zum Handeln bewegen wollen. Doch es geht nicht um Perfektion, es geht um Integrität. Es geht um ein Leben, das den Glauben an Jesus authentisch und praktisch zum Ausdruck bringt. Um echten Glauben eben.
Aber diese Aufforderung trifft auf echte Menschen. Reale Menschen. Menschen, wie Du und ich. Und Menschen, die mich an der Menschheit manchmal (ver)zweifeln lassen.
Denn wie kommt es dazu, dass Menschen in Leitungsverantwortung stehen und gleichzeitig ihre Angestellten wie Dreck behandeln? Wie kann jemand gleichzeitig viel Geld für gute Zwecke spenden und trotzdem Steuern hinterziehen? Wie kann man jeden Sonntag in der Kirche sitzen und gleichzeitig rechtspopulistische Tweets posten? Wie jemand auf der einen Seite von Gleichwertigkeit reden und gleichzeitig im Verborgenen sexuell missbrauchen?
Wie kann man nur?
Diese Fragen sind schmerzhaft echt. So manche menschliche Widersprüche und Abgründe passen nicht in meinen Kopf. Legen sich pochend auf meine Seele. Wie kann man nur. Gut scheinen, doch Böses tun. Fromm reden und gleichzeitig menschenverachtend handeln.
Es wäre einfach zu sagen, dass Menschen einfach böse sind oder zumindest eine gemischte Tüte. Doch das ist irgendwie noch nicht die Antwort. Denn ich schaue mir das Treiben schließlich nicht nur von außen an, entdecke ich das Paradox doch auch in mir. Ja sagen und Nein meinen. Von etwas Überzeugt sein wollen und an der Umsetzung grandios scheitern gehört zu meiner Alltagserfahrung. Meine Konsequenz ist bruchstückhaft. Wird nicht jedes meiner „aber so schlimm bin ich nicht“ als blasser Versuch mich selbst rechtfertigen zu wollen, entlarvt?
Jakobus ist an meinem komplizierten Gedankengebäude nicht interessiert. Ihm geht es schlicht darum, dass Christsein sich zeigen muss. Er legt den Finger schonungslos auf Widersprüche, Inkonsequenzen und hinterfragt den Glauben, wo er nicht echt ist.
Glaube ist kein Fragment des Lebens. Es ist kein Gegengewicht zu meinem bösen Tun. Ich kann nicht sagen, dass ich an Jesus glaube und gleichzeitig entgegen der Vorstellung Gottes handeln. Das wäre wie offiziell verheiratet sein und gleichzeitig eine heimliche Affäre haben. Es schließt das Verheiratet Sein nicht gänzlich aus, aber es entspricht ihm absolut nicht.
Solch ein Verhalten fragmentiert uns. Trennt uns innerlich.
Jakobus beschreibt solche Menschen „als im Innersten gespalten und seine Unbeständigkeit kommt zum Vorschein“ (V.8). Es geht nicht darum, dass wir allen und jedem in jeden Bereich unseres Lebens Einblick gewähren. Eine integre Person ist keine grenzenlose Person. Sie hat allerdings keine Angst davor, Menschen Einblick zu gewähren, weil sie nichts zu verbergen hat. Sie ist innerlich nicht gespalten, sondern verbunden. Sie lässt Glauben in jeden Bereich des Lebens. Lässt sich ermahnen, entlarven und transformieren.
Jakobus erinnert uns daran, dass das aber nichts ist, wofür wir aus uns selbst ultimativ die Ressource schöpfen.
„Von oben kommen nur gute Gaben und nur vollkommene Geschenke, sie kommen vom Schöpfer der Gestirne, der sich nicht ändert und bei dem es keinen Wechsel von Licht zu Finsternis gibt.“ Jakobus 1,16-17
Gott ist nicht gespalten, nicht willkürlich, nicht bestechlich. Bei ihm gibt es keinen Wechsel von Licht zu Dunkelheit – Gott hat keine Schattenseiten. Er ist absolut gut, absolut integer und stellt uns keine charakterlichen Fallen.
Ganz im Gegenteil, er möchte in uns etwas Neues zum Vorschein bringen. Etwas zum Leben hervorbringen, was ganz, heil und wahrhaftig ist.
Gott gibt seine Zusage, dass er geben will, was uns mangelt, doch dafür braucht es Ehrlichkeit, was uns fehlt.
Jakobus stellt in seinem Brief verschiedene Themen und Wachstumsfelder zusammen, in denen wir als Menschen reifen dürfen zu echter und tiefer Integrität. Es geht darum, dass Haltung und Handlung übereinstimmen, dass wir unsere Worte kontrollieren, dass wir einen resilienten Glauben entwickeln, mit Reichtum weise umgehen lernen, Liebe durch unser Handeln ausdrücken und in der Weisheit und dem Gebet wachsen.
Diesem echten Glauben steht Selbstbetrug entgegen. Die Gefahr sich und anderen etwas vorzumachen. Wir verstecken Bereiche, meinen, dass ein Bereich voll Gutem einen anderen Bereich wett machen würde und sehen dabei nicht, wie gespalten wir sind.
Das ist ein Weg, ein Wachsen, ein Werden.
Martin Luther schrieb:
„Das christliche Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht Gesundsein, sondern ein Gesundwerden, nicht Sein, sondern Werden, nicht Ruhe, sondern eine Übung. Wir sinds noch nicht, wir werdens aber. Es ist noch nicht getan und geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.“
Wir dürfen lernen, wachsen, echt werden. Da wo wir uns auf die Schliche kommen, sollten wir nicht versuchen es zu übergehen oder zu verheimlichen. Wir dürfen als geliebte Menschen ans Licht treten und uns von Gott zusammenfügen lassen. Zusammenbringen, was wir so gerne fragmentieren und auseinanderhalten.
F R A G E N
Wie entsteht Integrität?
Welche Vorbilder hast du im Hinblick auf Integrität? Was macht sie aus?
In welchem Bereich mangelt es dir an Integrität
Um was möchtest du Gott in der folgenden Woche bitten?
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