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Zu deinem Besten [Römer 8,18-39]

Autorenbild: fraeulein_franzifraeulein_franzi

Aktualisiert: 26. März 2021


Der Ausdruck „es ist nur zu deinem Besten“ lässt meine inneren Alarmlichter aufblinken. Es ist ein ungutes Gefühl, das sich ausbreitet und mich misstrauisch aufblicken lässt. Es entspricht dem Gefühl, dass mir als Kind die ungesunden Kekse genommen werden, die nicht gut für mich sind. Es ist aber zu meinem Besten. Es ist das Gefühl, dass ich als Teenie nicht auf die Party darf, was ich als willkürliche Einschränkung empfinde. Aber es sei zu meinem Besten. Es ist der Herzschmerz, der seinen Sinn hat. Es ist die Entscheidung über meinen Kopf hinweg, die ich nicht verstehen kann, aber gut für mich sein soll. Der Verlust, der wehtut, aber was Gutes hervorbringt. Zu meinem Besten. Dieses Gefühl, dass ich etwas nicht so wahrnehme, aber es gut für mich sein soll, ist für mich ein zynisches Paradox gewesen. Ich reagiere bis heute überempfindlich, wenn jemand anders entscheidet, was gerade gut für mich sein soll, ganz gleich wie zuvorkommend oder hilfreich es sogar gemeint war.


„Denen, die Gott lieben, werden alle Dinge zum Besten dienen.“ (V.28)


Der Vers aus Römer 8,28 hat eine unglückliche Wirkungsgeschichte, nicht nur in meiner persönlichen Erfahrung. Dieser Text wird leider oftmals an der falschen Stelle platziert, sodass er in seiner Schönheit und Wahrheit nicht erkannt wird, sondern Verletzungen von Menschen sogar vertieft.


Dieser Text ist kein Trost im Leid. Leid trifft den Menschen in so unterschiedlichen Formen und Arten, unverhofft und kalt, schleichend oder in voller Wucht, aber Leid macht einen verletzlich und legt offen, was einem wichtig war. Was ich im Leiden nicht brauche ist die Aussage, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ Werde ich damit aufgefordert hinter dem Tod, der Krankheit, dem Verlust, dem Missbrauch, der Straftat, irgendetwas Gutes zu sehen? Ich leide und verstehe es nicht und soll glauben, dass es aber für mich sein soll? Liebe ich Gott nicht genug, wenn ich das Gute in meinem Leid nicht sehe? Das ist kein Trost, sondern Hohn. Blanker Zynismus. Ein kaltes Gottesbild.


Dieser Text ist dennoch voller Schönheit und voller Wahrheit, aber eben nicht als Trost im Leid, nicht als seelsorgerliche Reaktion auf Schmerz.


Es geht in der Passage darum, dass wir Hoffnung haben dürfen, die unser ganzes Leben umfasst, auch wenn wir das Ziel nicht immer vor Augen haben. Es geht um Sehnsucht auf etwas, was noch aussteht. Es geht um unsere Schwachheit nicht ausdrücken zu können, was uns wirklich beschäftigt. Auf unser Nichtwissen trifft die Zusage, dass Gott Verantwortung übernimmt. Es ist die Zusage, dass Gott für seine Kinder sorgt, dass er einen Plan für ihr Leben hat, dass sie zu ihm gehören und dass er sie sicher ans Ziel führen wird. Es gibt die feste Zusage Gottes, dass er für uns ist und nichts in dieser Welt diesen Gott davon abbringen wird, uns seine Liebe zu zeigen.


Vor dem Hintergrund, wer dieser Gott ist und was er tut, ist die Zusage, dass „denen die Gott lieben, alles zum Besten dienen wird“ eine Einladung in das Vertrauen. Vertrauen in einen Gott der meine Hand festhält und sagt, dass er mich nicht loslassen wird. Es ist die Hoffnung auf einen Gott, der Neues schaffen kann, das zu meinem Besten dienen wird, weil er mächtig ist und nicht, weil dem Bösen irgendwas Gutes abzugewinnen wäre. Es weist auf die unbegrenzten Möglichkeiten und die Weite des lebendigen Gottes hin.


Ein Bekenntnis von Dietrich Bonhoeffer hat mir bei der Neuentdeckung dieses wunderbaren Textes geholfen, den ich zu meinem eigenen machen möchte:


„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.

Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandkraft geben

will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns

selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft

überwunden sein.

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind,

und dass es Gott nicht schwerer ist mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige

Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet."


Dietrich Bonhoeffer


Quelle: Widerstand und Ergebung, DBW Bd. 8, S. 30

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