„Aus dem, was mit unseren Vorfahren geschah, sollen wir eine Lehre ziehen.“ V.11
Mein Papa erzählte uns vor dem Schlafengehen oft Geschichten aus seiner Kindheit. Als Kinder liebten wir seine Erzählungen aus der uns fremden Welt, in der er aufgewachsen war. Die fremde Welt, die den Titel „als unser Papa noch klein war“ trug. Am liebsten mochte ich die spannenden Geschichten aus seiner Zeit beim rumänischen Militär oder wie er meine Mama kennengelernt hatte. Papa erzählte aber nicht nur seine Geschichte, sondern überhaupt Geschichte. Er hatte dieses dicke dunkellila Buch zur Weltgeschichte und ich muss sehr jung gewesen sein, als mein Vater mir zum ersten Mal die Zeit des Nationalsozialismus erklärte. Ich kann mich an den Abend erinnern, als dieses Thema in meinen kindlichen Horizont platzte und mich vor dem Schlafengehen die Frage beschäftigte, wie Menschen einander so etwas antun konnten, sowas wie die Nazis den Juden. Die Frage ist im Kern geblieben. Geschichte wurde eins meiner Lieblingsfächer und im Geschichtsstudium der Nationalsozialismus Examensthema. Nach wie vor treibt mich die Frage umher, wie wir aus der Geschichte und der Vergangenheit lernen könne und wie wir es schaffen, dass sich die Fehler unserer Vorfahren nicht in einer endlosen Schleife wiederholen.
Was ist deine Antwort darauf?
Auf der einen Seite scheint ein Blick in die Geschichte entmutigend zu zeigen, dass wir es als Menschen nicht schaffen miteinander in Frieden zu leben, Gott und die Menschen selbstlos zu lieben. Auf der anderen Seite bin ich dankbar für den Frieden und Wohlstand in dem Land, in dem ich leben darf und bete, dass sich die Gräuel, die in unserem Land verübt wurden, nicht wiederholen. Dafür sollten wir sie nicht vergessen und erinnern, zu was Menschen immer fähig bleiben.
Paulus meinte scheinbar auch, dass für die Korinther etwas kritisches Geschichtsbewusstsein hilfreich sei. Er spricht eine Warnung aus. Fordert sie auf ehrlich auf die Fehler der Vorfahren zu blicken und sie zu benennen.
„Unser Verlangen darf nicht auf das Böse gerichtet sein, wie es bei Ihnen der Fall war.“ V.6
Scheinbar gibt es etwas von ihnen zu lernen und die Hoffnung, dass man es auch anders machen kann. Veränderung ist hier eine Möglichkeit, ansonsten würde Paulus es nicht als Warnung aussprechen. Gleichzeitig bleibt es dennoch eine realistische Warnung, denn kein Mensch ist davor gefeit, dass sich Fehler, Sünden und Verbrechen wiederholen.
„Wer also meint, er stehe fest und sicher, der gebe Acht, dass er nicht zu Fall kommt.“ V.12
Es gibt keinen Grund zu meinen, dass man besser sei als die Vorfahren. Unsere Generation setzt sich zu Recht kritisch mit der Vergangenheit auseinander und das ist gut so. Sie entlarvt und prangert Verbrechen an. Sie deckt Strukturen auf, die zu Ungerechtigkeit, Elend und Tod geführt haben, und möchte Veränderung sehen und erleben.
Gleichzeitig halten wir uns vielleicht schnell auch für besser. Zumindest besser als die Anderen, als die vor uns, als die gegen uns, als die nach uns.
Paulus warnt uns vor diesem Denken, denn wir sind nicht besser oder nobler als andere Menschen oftmals einfach privilegierter. Wir alle sind und bleiben aber einem Gott unterstellt, der als Einziger absolut nobel, heilig und gerecht ist.
Die Ermutigung liegt also nicht darin, dass wir endlich die Generation sind, die keine Fehler macht, sondern sie liegt in der Treue Gottes. Gott will und kann es gelingen lassen, wenn Du und ich, wenn wir das Richtige, Wahre und Gute tun wollen. Er kann Veränderung schenken, die Teufelskreise durchbricht. Das wird nicht allein aus der Emanzipation unserer Vergangenheit resultieren, sondern kommt aus dem Festhalten an der Kraft und Treue Gottes.
Was möchtest du anders leben, als Menschen vor dir?
Was lernst du aus Fehlern deiner Eltern, deiner Vorfahren, der Kirchengeschichte?
Wie soll Kirche mit ihrem Erbe umgehen und was bedeutet das konkret für dich?
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